Das Lügenmärchen von der Wertlosigkeit nachhaltigen Handelns
»Ich kann alleine ohnehin nichts ausrichten.« »Auf mich kommt es eh nicht an« ist die Kernüberzeugung, gewissermaßen das Credo dieses Lügenmärchens. Ja, was soll ein Einzelner auch schon bewirken, einer von Millionen in einem Land oder von Milliarden auf diesem Planeten. Und wer an den Mythos der individuellen Unzulänglichkeit glaubt, wird sich kaum zu nachhaltigem Verhalten im Alltag aufraffen können. Es ist auch eine der leider weitverbreiteten und klimaschädlichsten Fehlüberzeugungen. Auch das gehört ins Lieblingsrepertoire der Ja-aber-Haltung: »Ich bin ja wirklich für Klimaschutz, aber was soll ich alleine schon bewirken!?«.sellschaftlich elegantere Varianten davon lauten dann: »Ich tue ja schon was, ich vermeide doch schon überall Plastiktüten … mehr kann ich nun wirklich nicht ausrichten.« Oder man versteckt sich hinter der fehlenden Kooperation anderer: »Die anderen tun ja auch kaum etwas!« Wenn sich die oberen Gesellschaftsschichten schonen, warum sollte der Normalbürger dann auf seinen Ferienflug verzichten … darauf komme es dann wohl auch nicht an.
Aus dem gleichen Lügenmärchen-Repertoire des inneren Schweinehundes stammt die Einflüsterung, der Einzelbeitrag als solcher bringe doch eh nichts. »Ob ich nun einen Plastikstrohhalm mehr oder weniger gebrauche, macht letztlich keinen Unterschied«, die einzelne nachhaltige Handlung sei doch nur »ein Tropfen auf den heißen Stein«, so dass es im Verhältnis zu den großen Emissionen nicht darauf ankomme, ob ich nun statt mit dem Auto mit dem Fahrrad ins Büro fahre. »Flugverkehr und Fleischkonsum verursachen nur einen Bruchteil des CO2-Ausstoßes der Kohlekraftwerke.«
Mit dem Totschlagargument des kaum auszumachenden »Klimanutzens « der Einzelhandlung kann man auf genau diese Handlung bedenkenlos verzichten. Wer an die Botschaft dieses Lügenmärchens glaubt, wird kaum nachhaltig leben (da es auf ihn ja gar nicht ankomme), oder im Einzelfall immer wieder Ausnahmen machen, da es nach dem Motto »einmal ist keinmal« letztlich auch dieses eine Mal keine Rolle spiele. Aber dann kommt es wohl auf Deutschland auch nicht an, da die Bundesrepublik lediglich 2 Prozent der weltweiten Emissionen verursacht. Und so erhielte das ganze Land eine Generalabsolution, sich nicht um Nachhaltigkeit zu bemühen.
Und was darauf zu erwidern ist
Dies ist eine der gefährlichsten und nachhaltigkeitsfeindlichsten Einflüsterungen des inneren Schweinehundes. Hat es denn überhaupt Sinn, wenn ein Einzelner nachhaltig lebt? Was kann denn schon die einzelne Handlung eines einzelnen Menschen bewirken? Ist es denn nicht letztlich völlig egal, ob ich heute, hier und jetzt diese Plastikflasche in den Restmüll oder in die Recyclingtonne werfe? –
Und die klare Antwort lautet: Ja, es hat Sinn! Der Beitrag des Einzelnen ist nicht wertlos. Es kommt auf jeden Einzelnen an und bei diesem wiederum auf jeden Einzelbeitrag, mag dieser auch noch so gering erscheinen. Denn der stete Tropfen höhlt den Stein.« Viele Einzelne zusammen können viel bewirken, viele Tropfen eine Welle auslösen. Immer wieder haben Menschen eine Bewegung oder Welle in Gang gesetzt. So die Friedensbewegung in Deutschland in den 1980er Jahren, die Freiheitsbewegung in der DDR, die letztlich zum Fall der Mauer geführt hat, die »Black lives matter«-Bewegung im Jahr 2020 und nicht zuletzt die »Fridays for future«-Bewegung gegen den Klimawandel.
Jedes Mal ist die Kraft der Bewegungen aus der Summe der Einzelnen entstanden und keiner der Teilnehmer ist ihr mit dem Gedanken ferngeblieben: »Auf mich kommt es doch eh nicht an«! Es hatte also subjektiv für den Einzelnen Sinn, mitzuwirken, um in der Summe eine Wirkung zu erzielen. Sonst könnte man ja bei der Bundestagswahl auch fernbleiben, wenn man sich einredet, eine einzelne Stimme von gut 60 Millionen Wahlberechtigten könne eh nichts bewirken. So wie es bei einer Wahl auf jede Stimme ankommen kann, so kommt es auch in puncto Klimaschutz auf jede einzelne Handlung an, die in der Summe doch viel bewirken kann. Warum?
Weil mittelbar die Einzelnen durch ihr Verhalten auch großen Einfluss auf die Politik und die Wirtschaft ausüben können. Politiker können es sich letztlich nicht leisten, die Einstellungen und Wünsche ihrer Wähler zu ignorieren. Ebenso wenig kann die Wirtschaft das Verhalten und die Bedürfnisse ihrer Käufer und Kunden außer Acht lassen. Wenn die Nachfrage nach Verbrennungsmotoren, Palmölprodukten, Rindfleisch und exotischen Früchten sinkt, dann wird sich automatisch mittelbar auch das Angebot verändern. Ebenso bei Kapitalanlagen. In den vergangenen Jahren nehmen die Investitionen
in klimafreundliche Unternehmen immer mehr zu und sogar das Investmentunternehmen Blackrock hat seine Schwerpunkte in Richtung klimaneutraler Beteiligungen verlagert.
Die Summe des Verhaltens Einzelner hat eine größere Wirkung, als wir oft denken. Und das müsste auch der innere Schweinehund verstehen – wenn man es ihm behutsam, aber nachhaltig einflüstert! Letztlich hat jeder auch Einfluss auf sein Umfeld, auf seine Familie, seine Freunde und die Nachbarschaft. Hierzu ist es auch gar nicht erforderlich, mit erhobenem Zeigefinger moralisch belehrend oder missionierend auf andere einzuwirken. Das bloße Vorleben und Verhalten
spricht für sich selbst und hat Einfluss auf andere. Taten bewirken nun mal mehr als Worte.
Aber auch für einen selbst, ohne dass andere es mitbekommen, kann es von Wert sein, indem es einem das Gefühl geben kann, einen (wenn auch noch so kleinen) Beitrag zum Wohle des Planeten zu leisten. Wer eine leere Coladose auf der Straße aufhebt und in den Mülleimer wirft, schafft ein Stückchen mehr Sauberkeit auf der Welt – und geht danach oft mit einem besseren Gefühl weiter. Und je mehr so handeln, desto mehr Sinn ergibt es und desto größer ist die Wirkung. Manchmal kann aus einer lokalen Bewegung eine werden, die sich im digitalen Zeitalter in kürzester Zeit millionenfach um die Welt verbreitet.
Also vertrauen Sie auf den Wert Ihrer nachhaltigen Einzelhandlung … und bringen Sie auch Ihren kleinen Saboteur das Vertrauen bei, damit er freudig mitmacht. Dann wird nämlich auch er sich wohler fühlen.