Das Lügenmärchen von der Renditelosigkeit nachhaltigen Handelns
»No investment without return!« Sich für etwas zu engagieren, das keinen erkennbaren, sichtbaren und messbaren Erfolg verspricht, widerspricht der menschlichen Natur. Und dieses Lügenmärchen suggeriert uns: »Es bringt dir sowieso nichts – zumindest nicht in absehbarer Zeit.« Das ist die sogenannte diskontierte Zukunft: Ein Handikap nachhaltigen Verhaltens sei es, dass der Nutzen erst in der fernen Zukunft anfällt. Da den meisten Menschen aber Nutzen, der erst in der Zukunft zu erwarten ist, weniger wert ist als ein vergleichbarer Nutzen heute, ist es nur für wenige attraktiv, sich nachhaltig zu
verhalten und heute auf den Fernflug zu verzichten.
Psychologische Forschungen unter dem Motto »Wie viel ist uns die Zukunft wert?« ergaben wenig ermutigende Ergebnisse: Nach repräsentativen Umfragen in 76 Ländern, die etwa 90 Prozent der Weltbevölkerung entsprechen, erwarten die meisten Menschen schon nach einem Jahr mindestens ein Drittel mehr, damit sich die Investition heute lohne. Zumindest, was Geldinvestitionen betrifft.
Doch auch aus Sicht des Klimaschutzes erscheint das eher deprimierend, denn hier gilt das Gleiche: Die Kosten oder der Aufwand fallen heute an, während der Nutzen erst irgendwann und auch nicht wirklich messbar in der fernen Zukunft kommt. Und es scheint den meisten Menschen ziemlich egal, was in 20 oder 30 Jahren mit der Welt los sein wird. Wer dem Lügenmärchen von der fehlenden oder unsicheren Rendite glaubt, lebt wohl eher nach dem Motto: »carpe diem« und »nach mir die Sintflut«.
Und was darauf zu erwidern ist
Die Haltung »no investment without return«, die einen davon abhält, sich für etwas zu engagieren, was einem selber (zumindest in absehbarer Zeit) eh nichts bringt, steht im diametralen Gegensatz zur Einstellung des alten Mannes in der Geschichte mit den Stecklingen. Als der König ihn fragt: »Du bist schon so alt. Wozu pflanzt du dann noch Stecklinge? Du kannst ihr Laub nicht mehr sehen. Du kannst in ihrem Schatten nicht mehr ruhen. Auch ihre Früchte wirst du nicht mehr essen«, antwortet er ihm: »Die vor uns kamen, haben gepflanzt, und wir konnten ernten. Wir pflanzen nun, damit die, die nach uns kommen, auch ernten können«, und pflanzt weiter seine Stecklinge.
Auch wenn viele Menschen oft in erster Linie mit ihrem Wohlergehen in der Gegenwart beschäftigt sind, so kommen sie doch nicht daran vorbei, sich auch mal zu fragen: »Welche Spuren will ich hinterlassen, wenn ich mich einst aus diesem Leben verabschiedet habe; welche Spuren bei anderen Menschen und auf diesem Planeten?«. Spuren, die dazu beitragen, dass auch die nächste und übernächste Generation gut leben kann, mit anderen Worten: »enkelgerecht« zu leben.
Und was den »Return on Investment« betrifft, so kann sich dieser auch mit einer anderen Sichtweise finden. Aus dem nachhaltigen Verhalten selber kann sich für mich ein »Instant Return on Investment« ergeben, indem ich eben etwas Sinnvolles und auch für spätere Generationen Nachhaltiges tue. Mit dieser Perspektive ist es dann auch nicht mehr erforderlich, später für seine guten Taten belohnt zu werden, sondern man wird im Moment des Handelns selber durch seine guten Taten belohnt.
In diesem Sinne ist auch der Spruch von Marc Wallert zu verstehen: »Helfen hilft … dem der hilft.« Wer sich nachhaltig engagiert, der wird möglicherweise allein dadurch erfüllter und zufriedener leben. Und das wird recht schnell auch sein innerer Schweinehund merken … und mitmachen. – Auch Martin Luther hatte wohl diese Überzeugung, die sich in seinem Ausspruch widerspiegelt: »Wenn morgen die Welt unterginge, dann würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.«