Januar ist die Zeit der guten Vorsätze ... nicht wenige nehmen sich vor, endlich eine vielleicht schon lang geplante Aufräum- und Entrümpelungsaktion anzugehen. Warum Aufräumen und Entrümpeln so wichtig ist und warum wir damit nicht nur äußere Ordnung schaffen, sondern uns dabei auch innerlich neu sortieren, erklärt Marco von Münchhausen im Interview.
Herr von Münchhausen, warum haben wir zunehmend ein Problem mit Gerümpel, also mit einem zuviel an Dingen?
von Münchhausen: Seit Neandertalerzeiten haben wir so etwas wie einen Ur-Instinkt. Wir horten und sammeln, um uns abzusichern. Das Eichhörnchen sammelt ja auch für den Winter. Dieser Hamstertrieb steckt uns in den Genen und im Nervensystem. Weil es früher nicht so viel gab, war das auch kein Problem. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren im Rahmen des Wirtschaftswunders aber ganz viele Sachen für wenig Geld zu bekommen. Und der Mensch lässt sich eben dazu verleiten, das eine oder andere anzuschaffen. Dazu kommt, dass es merkwürdigerweise eine Angst gibt, etwas davon herzugeben. Daher ist es völlig nachvollziehbar, das die Menschen immer mehr Sachen um sich herum ansammeln.
Kann man dem entgegensteuern?
von Münchhausen: Dem entgegensteuern kann man nur durch die Erkenntnis, dass dieses Ganze, nennen wir es mal Gerümpel, dieser ganze Ballast, psychologisch gar nicht gut tut. Man muss erkennen, dass man es nicht braucht und dass man, wenn man das Ganze abwirft, sich wohler fühlt.
Warum ist es dann so schwer zu entrümpeln?
von Münchhausen: Weil man gegen diesen Ur-Instinkt, die Sachen behalten zu wollen, angehen muss. Der Schweinehund in uns, für mich eine Metapher für innere Widerstände, ist darauf trainiert, die Dinge zu behalten. Geistige Erkenntnis und Reife kann aber dazu führen, dass man sagt: ich gebe ab. Auch in anderen Bereichen muss man ja gegen seine Ur-Instinkte angehen und sich mäßigen, etwa wenn es um Nahrungsaufnahme oder Konfliktlösung geht: Man kann ja nicht ständig essen oder einfach auf jemanden einhauen
Wer gegen alle Widerstände dennoch unnötige Sachen wegschmeißt, fühlt sich ja oft enorm befreit. Wie kommt das?
von Münchhausen: Ja, das ist ein Urgesetz, das man schon seit der Antike kennt. Wie außen so innen, wie innen so außen. Alles was ich um mich herum gestalte, hat eine unmittelbare Auswirkung auf meine seelische Verfassung und umgekehrt: Meine seelische Verfassung strahlt nach außen aus. Wenn ich also um mich herum Ordnung schaffe, dann fühle ich mich hinterher auch geordnet. Man sagt ja auch, ein Mensch mache einen aufgeräumten Eindruck. Auch wenn man schlecht drauf ist, fühlt man sich in der Regel besser, wenn man aufräumt und ordnet.
Aufräumen ist also auch eine Art von Therapie?
von Münchhausen: Ja, ich empfehle vielen Leuten dringend, einfach mal zu Hause zu entrümpeln und aufzuräumen. Das schafft auch wieder inneren Freiraum für neue Ideen und für neue Perspektiven. Das ist eines der wichtigsten Dinge, die man machen kann.
Kann man auch seine Seele entrümpeln?
von Münchhausen: Man schleppt ja in der Regel viele Dinge mit sich herum, insbesondere ungeklärte Konflikte. Zum Beispiel ist man auf jemanden wütend oder man fühlt sich irgendwie schuldig. Wenn ich das loswerden kann, geht es mir seelisch einfach besser. Es ist ja auch anstrengender, jemandem etwas nachzutragen als jemandem etwas nachzusehen. Das zeigt auch das Bild: Ich trage dem anderen immer das hinterher, was ich ihm vorwerfe.
Wie kann man sich von seelischem Ballast befreien?
von Münchhausen: Wenn ich verzeihe, bin ich hinterher freier. Allerdings will man das ja nicht immer. Manchmal ist es leichter, an seinem Groll festzuhalten, als zu verzeihen. Aber wenn ich wirklich los lasse und sage: Das wurde mir von dieser Person zwar angetan, aber ich verzeihe, ich lasse es los, bin ich hinterher freier. Verzeihen ist daher ein Akt, denn man nicht für den anderen macht, sondern für sich selbst.
Zurück zum materiellen Entrümpeln. Können Sie drei Tipps geben, wie man da am besten anfängt?
von Münchhausen: Erstens ist wichtig, dass ich mir die Wohnung vorstelle, wie sie aufgeräumt aussieht. Zweitens muss man klein anfangen und sich langsam steigern. Man muss also gar nicht mit einem ganzen Entrümpelungswochenende starten, sondern sich vielleicht nur zwei Stunden pro Woche vornehmen. Es muss machbar sein. Wenn ich das Gefühl der Machbarkeit nicht habe, sabotiert mich der innere Schweinehund.
Drittens gibt es das Drei-Kisten-System. In die eine Kiste kommt rein, was ich sofort wegwerfe, in die zweite kommt das rein, was ich behalte. Schließlich gibt es die Kiste mit dem Fragezeichen. Da kommt alles rein, von dem man nicht weiß, ob man sich davon trennen soll. Diese Kiste kommt auf den Speicher oder in den Keller. Wenn man sie ein Jahr nicht geöffnet hat, kann man das dann auch getrost wegtun.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Ist es bei Ihnen selbst immer aufgeräumt und ordentlich?
von Münchhausen : Nein, bei mir ist nicht alles aufgeräumt. Sonst wüsste ich auch nicht um die Schwierigkeiten. Aber ich weiß, wie ich es angehen kann. Wenn ich wirklich entrümpeln will, dann ziehe ich das auch durch. Dennoch passiert es auch mir, dass sich wieder Stapel bilden. Aber dann nehme ich mir einen Nachmittag Zeit und gehe an die Ablage ran. Es gelingt mir nicht immer, aber ich weiß um den Wert des Aufräumens – deshalb fällt es mir auch zunehmend leichter.
Das Interview erschien erstmalig im Rahmen der Mitteilungen des epd - Evangelischer Presse Dienst.
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