Große Krisen der Vergangenheit
In der Vergangenheit hatten Krisen und Epidemien oft langfristige und überraschenderweise auch positive Konsequenzen oder die Menschheit konnte aus den vergangenen Krisen für die Zukunft lernen.
- 1332 war (auch) in China die Pest ausgebrochen. Auslöser war das Bakterium Yersinia pesti, der sogenannte Rattenfloh. Über Handelsschiffe gelangte die Pest 1347 nach Messina auf Sizilien und breitete sich von dort über den ganzen Kontinent aus. Vermutlich sind dabei mindestens 25 Millionen Menschen gestorben, etwa ein Drittel der Bevölkerung Europas, Italien dürfte die Hälfte seiner Einwohner verloren haben. Doch langfristig führte die Katastrophe paradoxerweise zu einem wirtschaftlich goldenen Zeitalter. Den Überlebenden ging es substantiell viel besser – weniger Menschen hatten mehr Land, höheres Einkommen und weniger Hunger – und Europa ist wirtschaftlich aufgeblüht. Der neue Wohlstand war wohl eine der Voraussetzungen für die Renaissance und die Neuzeit und den Abschied vom Mittelalter.
- Eine weitere Krise mit verheerenden Auswirkungen war die Spanische Grippe, die gegen Ende des ersten Weltkriegs ausbrach. Sie war von den Todeszahlen her noch schlimmer als die Pestepidemie. Weltweit infizierten sich 500 Millionen Menschen (nahezu ein Viertel der damaligen Weltbevölkerung), wovon über 50 Millionen starben – viel mehr als im ersten Weltkrieg selbst! – Gelernt hat man an der Spanischen Grippe, wie unglaublich wichtig in einer Pandemie das Social Distancing ist (auch wenn es damals noch nicht diesen griffigen Namen hatte). Am besten zeigt sich das am Beispiel von Philadelphia: die Stadtverwaltung wartete 16 Tage , bevor sie die Bewegungsfreiheit ihrer Bürger einschränkte, und genehmigte sogar noch eine Parade. Die Stadt zahlte einen hohen Preis: Die Sterberate war auf dem Höhepunkt der Epidemie fünfmal so hoch wie in St. Louis, das schon nach zwei Tagen mit dem Social Distancing begonnen hatte. – Aus diesen Erfahrungen hat die Menschheit wohl gelernt, wie wichtig es ist, kurzfristig auch große wirtschaftliche Schäden in Kauf zu nehmen, wenn man nicht mit vielen Toten in der Zukunft zahlen will.
- Die Weltwirtschaftskrise von 1929, ausgelöst durch den New Yorker Börsencrash, führte in den 1930er Jahren zu einem starken Rückgang der Industrieproduktion, des Welthandels und der internationalen Finanzströme, einer Deflationsspirale, massenhafter Arbeitslosigkeit und noch weiteren verheerenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen, die bis zum Beginn des 2. Weltkrieges wirkten. Doch sie war gleichzeitig Anlass für die berühmten Wirtschafts- und Sozialreformen des New Deal, mit dem der US-amerikanische Präsident Roosevelt die Demokratie und die Wirtschaft in den USA vor Schlimmeren bewahren konnte. Ebenso führte sie zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Keynesianismus und Monetarismus, wonach die Weltwirtschaftskrise hätte verhindert werden können, wenn die Zentralbanken eingegriffen hätten und durch Sicherung von Liquidität die Kontraktion der Geldmenge verhindert hätte.
- Aus diesen Fehlern schien man bei der nächsten großen Wirtschaftskrise 2007 gelernt zu haben. Zwar hat zunächst die Lehman Brothers-Pleite in New York das internationale Bankensystem destabilisiert und erschüttert. Doch dann haben die Staaten in einer international koordinierten Aktion die Staatsausgaben gesteigert, die Steuern gesenkt und die Notenbanken haben das Finanzsystem mit ausreichend Liquidität versorgt. Zwar kam es dennoch zu einer erheblichen Rezession und hoher Arbeitslosigkeit, doch waren die Folgen bei weitem nicht so schlimm wie nach 1929. Lesson learned!
Jetzt befinden wir uns in der Corona-Krise, für die man anscheinend von der Spanischen Grippe gelernt hat und deren bisherige Todeszahlen im Verhältnis zur damaligen Pandemie noch gering sind. Das Social Distancing, so schwer es die Wirtschaft und die Gesellschaft trifft, scheint verheerendere Folgen zu verhindern. – Doch die Corona-Krise hat uns mitten in einer noch viel schwereren Krise überrascht, der weltweiten Klimakrise. Und auch wenn diese vorübergehend bei vielen in den Hintergrund getreten zu sein scheint: Wenn Corona vorüber ist, wird sie noch da sein. Die wohl größte Herausforderung für die Menschheit in den nächsten Jahrzehnten! Vielleicht wird man auch aus dieser Krise für die nächste lernen!