Warum es so schwierig ist, konzentriert zu arbeiten, und wie es trotzdem funktionieren kann, verrät Keynote Speaker Marco von Münchhausen in seinem Buch "Konzentration"
Wir sind täglich, stündlich, minütlich von Störungsquellen umgeben (das allgegenwärtige Smartphone ist nur eine von vielen) – und das hindert uns daran, uns ganz und gar einer Sache zu widmen. Darunter leidet nicht nur unsere Produktivität, sondern auch unser Wohlbefinden, denn ständige Unterbrechungen können sogar krank machen. Leider haben wir keinen Schalter, den wir einfach auf „Konzentration“ umlegen können. Aber es ist nicht schwer, den Zustand der Konzentration künstlich zu erzeugen.
Konzentration aktiv zu erzeugen bedeutet, die Aufmerksamkeit kontrolliert auf etwas zu lenken. Und das ist auch gleich die gute Nachricht: Konzentration ist machbar!
Schaffen Sie einen Magneten
Wissen, was man will, eine klar definierte Aufgabe, ein Ziel: das ist die erste, grundlegende Voraussetzung, um Konzentration zu erzeugen. Warum ist das so wichtig?
Eine Vielzahl von Dingen kämpft permanent um unsere Aufmerksamkeit. Sie schwirren um uns herum wie Mücken um eine Lichtquelle, versuchen, sich in Position zu bringen, um dem herumwandernden Geist ein Ziel zu geben. Es geht dabei immer um die beste Position im Kampf um unsere „passive“ Aufmerksamkeit.
Dem muss aktiv etwas entgegengestellt werden – ein Ziel, das wie ein Magnet unsere Gedanken und mentalen Kräfte anzieht und sie gleichzeitig davon abhält, auf der Suche nach anderen Reizen zerstreut umherzuwandern. Die Magnetkraft eines klar definierten Ziels ist es, die den Geist – zumindest zeitweise – unempfindlich macht für andere Reize, die es uns ermöglicht, über einen längeren Zeitraum hinweg bei einer Sache zu bleiben.
Ich erlebe das in meinem eigenen Berufsleben beinahe täglich: Die klare Vorstellung von dem, was ich erreichen will, macht den entscheidenden Unterschied. Will ich zum Beispiel an einem Mittwochvormittag Kundenpflege betreiben, dann kann ich mir das in den Kalender schreiben: Stichwort „Kundenpflege“. Am Abend stelle ich dann meist fest, dass ich im Laufe des Tages mit immerhin zwei Kunden telefonischen Kontakt hatte. Der Rest des Tages ist irgendwie vorübergegangen, ich habe viel erledigt – nur nicht das, was ich wollte.
Wenn in meinem Kalender aber steht „09.00 bis 10.30 Uhr: zehn Kunden anrufen“ und diese zehn Kunden in einer Tabelle aufgelistet auf meinem Schreibtisch liegen, dann ist die Chance, dass ich gegen 10.30 Uhr tatsächlich mit acht Kunden gesprochen habe, sehr hoch. Je klarer definiert, je genauer die Vorstellung des Zieles ist, desto größer ist dessen Magnetkraft. Die Liste mit den zehn Kundennamen verschafft mir ein klares Bild von dem, was ich erreichen will. Andere Reize haben es dann sehr viel schwerer, sich durchzusetzen. Das liegt daran, dass Bilder auf unser Gehirn eine mindestens zehnfach stärkere Wirkung haben als Worte oder Begriffe. Sehr vereinfacht dargestellt, erzeugen Bilder im Gehirn Eiweißmoleküle, und das könnte man als eine Art Turbostoff für die Gehirnwellen bezeichnen. Ein klares Bild von dem, was ich erreichen will, ist wie ein Magnet für meine geistigen Kräfte. Letztlich entscheiden die Bilder in unseren Köpfen über das, was wir im Leben erreichen.
Schaffen Sie Attraktivität
Die nächste Voraussetzung für Konzentration betrifft die Qualität der Aufgabenstellung, man könnte auch sagen, die Attraktivität, die eine Aufgabe für unser Gehirn hat. Es verhält sich mit dieser Voraussetzung wie mit einem Verbrennungsmotor: Dieser hat in einem bestimmten Drehzahlbereich einen optimalen Wirkungsgrad, das bedeutet: maximale Kraftentfaltung bei minimalem Verbrauch. Über- oder unterschreitet man diese Grenzen, wird der Wirkungsgrad immer schlechter, der Verbrauch steigt. Übertragen auf unser Gehirn bedeutet das zweierlei:
- Eine Aufgabe darf einerseits nicht zu schwer sein, denn dann geraten wir in Stress. Unser Körper schüttet dabei vermehrt Adrenalin aus, ein Hormon, das unter anderem auch die Denkprozesse beeinträchtigt. Wir kommen also mit der sowieso schon schwierigen Aufgabe noch schlechter zurecht. An ein Erfolgserlebnis ist gar nicht zu denken, stattdessen kommt Frust auf. Diesen wiederum mag das Gehirn nun überhaupt nicht und sucht stattdessen nach etwas, das ihm mehr Spaß macht: Das wars dann mit der Konzentration!
- Auf der anderen Seite darf die Aufgabe aber auch nicht zu leicht sein. Auch dann droht Konzentrationsverlust. Ein unterfordertes Gehirn ist nicht lange mit dieser Situation zufrieden; es sucht sich eine interessantere Beschäftigung. Der Geist fängt an umherzuwandern („Mind-Wandering“), bis er entweder einen neuen, ausreichend stimulierenden äußeren Reiz findet, oder er weicht beispielsweise auf Tagträumen aus. Ist das Gehirn hingegen ausreichend ausgelastet, hat es schlicht keine Kapazitäten mehr frei, um auf andere Reize zu reagieren.
Eine wichtige Rolle für die Konzentrationsfähigkeit spielt dabei auch die Aufnahmekapazität unseres Gehirns. Schon Forschungen aus den 1950er-Jahren haben ergeben, dass das Gehirn innerhalb einer bestimmten Zeiteinheit nur eine begrenzte Anzahl von neuen Einheiten aufnehmen und verarbeiten kann, anschließend sinkt die Konzentrationsfähigkeit stark ab. Relevant für die Konzentration ist also nicht nur die Schwierigkeit einer Sache, sondern auch die Menge.
Nehmen Sie sich doch jetzt mal ein paar Minuten Zeit und überlegen Sie sich:
- Bei welchen Tätigkeiten fällt es Ihnen schwer, sich zu konzentrieren, weil sie sich überfordert fühlen?
- Und bei welchen, weil Sie sich unterfordert fühlen und sie Ihnen langweilig erscheinen?
Die dritte Voraussetzung für konzentriertes Arbeiten ist heutzutage die schwierigste: Die Abschirmung von Störungen und Unterbrechungen. Dazu mehr nächste Woche.